Andacht für die Woche vom 28. Juni bis zum 4. Juli

Die Andacht von Pfarrer Neunhoeffer wird dieses Mal umrahmt vom Wochenlied "Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn" und dem "Finale" von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn
Evangelisches Gesangbuch Nr. 602; Orgel und Gesang: KMD Ingrid Kasper

Predigt über Micha 7,18-20 am 28. Juni in der Stephanskirche zu Bamberg von Pfarrer Walter Neunhoeffer

Liebe Gemeinde,

Gott meint es ernst mit der Vergebung.
Gott ist, was die Vergebung betrifft, radikal.
Gott bleibt sich in seiner Vergebungsbereitschaft selbst treu.
So höre ich das, was der Prophet Micha am Ende seines Buches, ganz wichtig macht. Aber hören Sie selbst:
Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils, der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast. (Micha 7,18-20)
Gott meint es ernst mit der Vergebung. Micha staunt: „Wo ist solch ein Gott?“ Er staunt und weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Denn das fragt man sich ja immer wieder, meint es mein Gegenüber wirklich ernst mit der Vergebung?
Als Kind hat meine Großmutter mit in unserem Haushalt gewohnt. Ich weiß nicht, was mich immer wieder geritten hat, aber ich hatte Lust, sie zu ärgern und wusste natürlich auch ganz genau, wie ich sie ärgern konnte. Hinterher tat mir das sehr leid und ich entschuldigte mich dafür. Wenn ich es zu toll getrieben hatte, sagte sie nach meiner Entschuldigung oft: „Vergeben ja – vergessen nein!“ Das machte mich als Kind wütend, weil ich dachte, wenn Du nicht bereit bist, es zu vergessen, dann musst du es mir auch nicht vergeben. Meine Ohren damals konnten nur die bleibende Verletzung meiner Oma hören, nicht ihre Vergebungsbereitschaft. Heute weiß ich, wie weise meine Oma war. Vergeben heißt nicht, dass man alles ungeschehen macht. Vergeben heißt, obwohl du mich geärgert und gekränkt hast, will ich dir vergeben und mit dir wieder gut sein. Trotzdem wissen wir zwei, dass es Schatten in der Beziehung gegeben hat und vielleicht auch immer wieder geben wird. Heute kann ich den Satz so hören: Ich vergebe dir, auch wenn ich mir keine Illusionen über Dich und unsere Beziehung mache.
Gott meint es ernst mit der Vergebung, auch wenn er tausend Gründe hätte, nicht mehr zu vergeben. Er vergibt, obwohl er sich keine Illusionen über uns Menschen macht. Da ist er radikal.
Gott ist, was die Vergebung betrifft, radikal. Der Prophet Micha schreibt: Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.
Die Beziehung Gottes zu Dir, sündiger und immer wieder schuldig werdender Mensch ist stabil und wird von Gott niemals in Frage gestellt. Wenn man sich das bewusst macht, verändert sich auch der Blick auf sich selbst. Im Wissen auf die stabile Beziehung zu Gott, der sich keine Illusionen über einen macht, braucht es kein Kleinreden der Schuld mehr, kein Unter-den-Teppich-Kehren, kein Schuld-auf die anderen-Schieben. Solche Sätze kennt man: „Das machen doch andere auch! Ups, was ist mir denn da passiert? Die Eva hat mich dazu angestiftet!“
Opfer berichten oft, wie das Nicht-Anerkennen oder Relativieren der Schuld von Tätern eine zweite Verletzung und eine zweite Kränkung bedeutet, da das Leid, das einem zugefügt wird, nicht wirklich wahrgenommen wird.
Gott ist so radikal in seiner Vergebung, um uns zu ermutigen, zu unserer eigenen Schuld zu stehen, ohne Wenn und Aber. Auch um derer willen, denen Leid zugefügt wurde. Dieses Leid darf nicht relativiert werden.
In seiner Vergebungsbereitschaft bleibt sich Gott selbst treu. Das ist die Erfahrung des Propheten Micha und deshalb schreibt er auch: „Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham die Gnade erweisen.“ Micha macht sich keine Illusionen über sein Volk und weiß doch, dass Gottes Treue niemals aufhört. Er weiß, wie viele Neuanfänge Gottes es mit seinem Volk schon gab.
Ein Pädagogikratgeber würde vielleicht sagen: Dass jetzt auch mal ein hartes Durchgreifen heilsam wäre. Aber Gott hat ein anderes Konzept. Er weiß aus seiner langen Erfahrung mit uns, dass der Mensch immer nur aus der Vergebung leben kann. Diese Grundlage will er uns nicht entziehen. Er bleibt sich und damit uns treu.
Er lädt uns ein, diesem Weg zu vertrauen und ihn selbst zu gehen.
Doch was ist mit dem, dem ich nicht vergeben kann? Was ist, wenn die Verletzung und das Leid einfach zu groß waren?
Ich glaube nicht, dass Gott uns dazu zwingt, zu vergeben. Er weiß aber auch, dass es uns besser gehen würde, wenn wir vergeben könnten. Das berichten oft Opfer, dass sie erst wieder für sich freier leben konnten, als sie für sich auch einen Weg fanden, dem Täter zu vergeben. Sie berichten aber genauso, dass dies ein sehr langer Weg ist.
Vielleicht könnte ein erster Schritt auf diesem Weg die Weisheit einer Grundschülerin sein. Wir sangen mit Begeisterung: Er hält die ganze Welt in seiner Hand. Ich fragte, wen denn Gott so alles in der Hand hält. Die Kinder machten Vorschläge wie dich und mich, die Sonne und den Regen, die Mama und den Papa. Und jeden Vorschlag besangen wir. Über den Vorschlag: den Freund und den Feind war ich sehr erstaunt. Am Ende der Schulstunde kam eine Schülerin auf mich zu und fragte mich: „Wenn ich aber nicht will, dass jemand in Gottes Hand ist, der ganz arg böse zu mir war?“ Dann überlegte sie eine Weile und sagte dann: „Naja wir müssen uns ja nicht nebeneinander setzen. Ich setze mich auf den Daumen Gottes und der soll sich auf den kleinen Finger setzen. Dann sind wir weit genug voneinander weg!“
Das ist eine gute Idee. Dem anderen, dem ich noch nicht vergeben kann, zumindest die Vergebung Gottes gönnen. Um mehr bittet, glaube ich, auch der Vater vom verlorenen Sohn seinen Ältesten nicht, als dass er dem jüngeren Bruder die Vergebung gönnt.
Der Prophet Micha findet am Ende seines Buches noch einmal starke Worte, Worte voll des Staunens und des Lobes über Gott, der vergibt. Gott vergibt. Daran soll kein Zweifel aufkommen. Amen.

Finale
von Felix Mendelssohn Bartholdy; Orgel: KMD Ingrid Kasper

Die Kollekte am Sonntag, 28. Juni, ist zur Hälfte für die Jugendarbeit im Dekanat Bamberg und zur Hälfte für die unsere eigene Gemeinde bestimmt; wenn Sie dafür spenden möchten, nutzen Sie bitte das Konto der Kirchengemeinde (siehe hier, links unten) und nennen Sie die Jugendarbeit und die Kirchengemeinde als Spendenzweck. Vielen Dank dafür!