Andacht für die Woche vom 5. bis zum 11. Juli

Vor der Wochenandacht zum 5. Juli, dem 4. Sonntag nach Trinitatis, hören Sie das Wochenlied "Komm in unsre stolze Welt"; nach der Andacht spielt KMD Ingrid Kasper das "Siciliano" von Johann Sebastian Bach.

Komm in unsre stolze Welt
Evangelisches Gesangbuch Nr. 428; Orgel und Gesang: KMD Ingrid Kasper

Predigt am 4. Sonntag nach Trinitatis, 5. Juli, über Römer 12,17-21 von Dekan Hans-Martin Lechner

Liebe Gemeinde,

„es geht um die Liebe und um das Erbarmen, es geht um den Gott, der uns in den Armen und Schwachen, Bedrückten, Verfolgten begegnet und so uns anrührt, verwandelt und segnet.“ – So singen wir es in dem eigens für unser großes Jubiläum geschaffenen Stephanslied. Wahrscheinlich sind wir uns alle mehr oder weniger einig und sagen: Klingt gut! Darum geht es in der Gemeinde – um Liebe und Erbarmen – so soll es sein!

Und doch wissen wir alle: Im konkreten Erleben ist das gar nicht so selbstverständlich, in der Durchführung nicht so leicht. Das spüren wir erst recht, wenn wir auf den Predigttext aus dem Römerbrief hören, in dem der Apostel Paulus beschreibt, was eine christliche Gemeinde ausmacht: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegen jedermann. Ist´s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr. Vielmehr, wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ - - -

Lauter Imperative, Befehle, die dem verbreiteten Klischee Vorschub leisten, Kirche wüsste nichts Besseres, als moralisierend ihre Aufrufe „Du sollst!“ – „Du musst!“ in den Raum zu stellen. Appelle an ein von den Kritikern verächtlich gemachtes Gutmenschentum?! – Doch, wer Paulus kennt, der weiß, dass diese Imperative in Gottes Geschichte mit den Menschen einzuzeichnen sind. Diese Geschichte zeigt einen Gott, der leidenschaftlich das Gute, den Frieden, das Lebensdienliche will. Diese radikale Leidenschaft der Liebe Gottes ist Grund und Ursache des Glaubens an den, der den Menschen sein immerwährendes „Fürchte dich nicht“ zuruft.

Unter diesem Vorzeichen, in diesem strahlenden Horizont, in diesem Licht werden christliche Tugenden, die formal Befehle sind, zu Leidenschaften von innen heraus. So versteht Paulus seine Imperative als Ermutigung: Ihr könnt es gut machen, weil euer Handeln aus Glauben geschieht, weil Euer Handeln die Folge der Liebe und des Erbarmens ist, aus denen Ihr selbst lebt! – Da ist es regelrecht eine Befreiung, Rache und Vergeltung diesem Gott zu überlassen, der nie hinrichtet sondern immer aufrichtet!

Liebe Gemeinde, ich meine, bei allem, was uns Paulus hier vorlegt, geht es um den Menschen, dass der Mensch zusammen mit den anderen Menschen gut und im Frieden leben kann – und nicht sich selbst und die Welt zerstört. Wie könnte es auch anders sein, da Paulus doch leidenschaftlich einen Gott verkündigt, der in Jesus Christus selbst Mensch geworden ist, der alles, wozu Paulus hier ermuntert, selbst gelebt und getan hat.

Diese geradezu absolute Hinwendung zum Menschen findet ihre Zuspitzung und Herausforderung in der Ermunterung zur Feindesliebe: „Wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken!“ – Übrigens schon damals nicht ganz neu, sondern als Grundregel friedlichen Miteinanders schon beim weisheitlichen König Salomo belegt. Bei Jesus gehört die Feindesliebe zur Mitte seiner Bergpredigt – und am Kreuz ist er selbst konsequent dafür eingestanden: „Vater, vergib ihnen …“

Liebe Gemeinde, klar, die Feindesliebe als Zuspitzung wahrer Menschlichkeit liegt quer zur Logik der Welt, die oft doch nur Böses mit Bösem meint vergelten zu können und sich damit immer noch mehr in die Krise manövriert. Aber so ist es ja schon mit Christi Heilstat am Kreuz, die ebenso quer zur weltlichen Logik steht, sie durchkreuzt und darum von Vielen als Dummheit verlacht wird. So ist es dann auch mit dem daraus folgenden Handeln, das wagt, den „Feind“, den Menschen, der das Friedensangebot nicht annimmt, damit zu bekämpfen und zu überwinden, dass es ihn als Feind einfach nicht gelten lässt. – Ja, so macht man sich leicht zum Narren. Paulus kann ein Lied davon singen. Aber, was soll´s?! Wenn es dem Frieden, dem Leben, dem Menschen, dem Anderen und mir selbst dient?! –

„Den Feind als Feind einfach nicht gelten lassen“ – so interpretiert Karl Barth die Feindesliebe. Ich finde das interessant und habe dazu bei einem Berliner Kollegen einen fast meditativen Text gefunden, den ich Ihnen hier vortragen möchte:

„Wir weigern uns, Feinde zu sein. - Wir sind trotzig. - Wir behandeln Feinde nicht als Feinde. - Wir geben ihnen, was ihnen fehlt.

Wir steigen aus aus einem Spiel, das von Aktion und Reaktion, von Rache und Zorn bestimmt ist. - Wir lassen uns nicht von den Reflexen der Feindschaft treiben. - Unser Leitmotiv bleibt die Liebe, auch die Liebe der Feinde.

Wir lassen uns aber auch nicht Feinde nennen, nicht als Feinde beschimpfen, nur weil wir bei dem Spiel nicht mitspielen. - Wir weigern uns, als Feind stigmatisiert zu werden. Wir wollen dem Nächsten Nächster sein, wollen schlicht, dass ein Mensch Mensch sein kann.

Wir spüren, dass in all´ dem der große Feind in uns selbst sitzt, weil es Kraft kostet, anstrengend ist, sehr anstrengend, das Spiel der Feindschaft nicht zu spielen.

Es bringt uns an unsere Grenzen. - Es führt uns zu dem, der uns auf diesem Weg vergewissert auf den Tag hin, in dessen Morgenröte Gottes Schalom erstrahlt.“ - - -

Es geht um eine ganz bestimmte Haltung, eine Haltung, inspiriert von Liebe und Barmherzigkeit, es geht um die Haltung einer von Gott getragenen Menschlich- keit. – Ich glaube, diese Haltung kann Impulse setzen, die notwendig sind in der aktuellen Natur- und Kulturkrise, die durch die Coronapandemie sichtbar und bedrängend spürbar wird. Diese Haltung ist notwendig für unser weiteres gesellschaftliches und soziales Miteinander, auch für den Umgang mit der Schöpfung als Grundlage allen menschlichen Lebens.

Es ist eine Haltung, die aus der Leidenschaft der Liebe Gottes zum Menschen erwachsen kann. Dabei kennt Paulus sich selbst und uns Menschen gut und sagt ganz vorsichtig: „Ist´s möglich, so viel an euch liegt, versucht es, probiert´s einfach aus, immer wieder neu, auch wenn ihr Rückschläge und Enttäuschungen erlebt. Versucht es, wagt es, weil Jesus es versucht und gewagt hat, im Namen Gottes – nur so könnt ihr auf Dauer gewinnen!“

Ja, „es geht um die Liebe und um das Erbarmen, es geht um den Gott, der uns in den Armen, den Schwachen, Bedrückten, Verfolgten begegnet und so uns anrührt, verwandelt und segnet!“ – Darum geht es schon heute und gerade jetzt – auch wenn wir erst im nächsten Jahr, so Gott will und hoffentlich, ganz groß unser Jubiläum feiern können! – Gott sei Dank! Das Osterlicht leuchtet – heute ganz neu und an jedem neuen Tag – hier in der Kirche – und hinein in unsere Herzen. So sei der Friede des Herrn mit uns und aller Welt.

AMEN

 

Siciliano
von Johann Sebastian Bach; Orgel: KMD Ingrid Kasper

Die Kollekte am Sonntag, 5. Juli, ist zur Hälfte für die Aktion "1+1 Mit Arbeitslosen teilen" (bei der die Landeskirche die Spendensumme für Projekte für Arbeistslose aus Kirchensteuermitteln verdoppelt) und zur Hälfte für die unsere eigene Gemeinde bestimmt; wenn Sie dafür spenden möchten, nutzen Sie bitte das Konto der Kirchengemeinde (siehe hier, links unten) und nennen Sie 1+1 und die Kirchengemeinde als Spendenzweck. Vielen Dank dafür!