für die Woche vom 30. März bis zum 5. April
Predigt am Sonntag, 30. März, über Johannes 6, 47-51,
von Pfarrer Hans-Helmuth Schneider
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt.
Liebe Gemeinde,
im Glauben geht es um Dinge, die man sehen kann, und um Dinge, die man nicht sehen kann. Diese beiden, die Dinge, die man sehen kann, und die Dinge, die man nicht sehen kann, stehen in keinem Widerspruch zueinander, sondern sie hängen innerlich zusammen. Sehr sogar.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Brot, von dem hier im Johannesevangelium recht ausgiebig die Rede ist. Brot ist ein Grundnahrungsmittel, vielleicht sogar, zumindest bei uns hier, das Grundnahrungsmittel überhaupt. Brot steht für alles Essen, das wir zum Leben brauchen. Wir reden vom „täglichen Brot“ oder von „Lohn und Brot“ und meinen damit gleich alles Essen.
Beim Glauben geht es um das Sichtbare und das Unsichtbare. Eine alte Tradition ist, dass wir vor dem Essen beten. Das muss man nicht, das ist auch schon ziemlich verlorengegangen, aber vermutlich erinnern sich zumindest die meisten von Ihnen, dass es das schon einmal gegeben hat. Wir danken Gott für unser Essen bzw. für das tägliche Brot. Wir bitten ihn im Vaterunser auch darum. Die sichtbare Seite des Ganzen ist: Da hat ein Bauer Getreide gesät und geerntet, ein Müller gemahlen, ein Bäcker gebacken und wir haben es eingekauft. Und jetzt essen wir es. Warum sollte man sich eigentlich dafür bedanken? Das ist doch immer so und nichts Besonderes? Das ist doch alles selbstverständlich?
Beim Bitten und beim Danken geht es eher um die unsichtbare Seite des Ganzen, und dabei ist es vollkommen egal, wie selbstverständlich uns das Sichtbare vorkommt oder nicht. Beim Bitten und beim Danken geht es darum, dass das Sichtbare auf dieser Welt nicht einfach schon alles ist. Los geht das, auch wenn wir darüber wohl nur selten oder nie nachdenken, los geht das bei einer ganz grundsätzlichen Frage. Die könnte man formulieren: Wo kommen wir her, wo kommt eigentlich alles her? Oder so, wie Martin Heidegger es formuliert hat: Warum ist eigentlich überhaupt etwas und nicht nichts? Da könnte man ins Staunen kommen oder ins Wundern, wenn man darüber nachdenken wollte.
Aber dann geht es weiter, viel weiter noch. Warum funktioniert diese Welt eigentlich so, wie sie das tut? Wieso gibt es eigentlich Naturgesetze, die wir als Menschen mit unserem Verstand nachvollziehen können und die wir nutzen können? Wieso ist diese Welt so eingerichtet, dass selbst schon irgendwelche Urmenschen, die von heutiger Wissenschaft so überhaupt keine Ahnung hatten, darauf gekommen sind, dass man mit Sesshaftwerden und mit Säen und Ernten seinen Lebensunterhalt bestreiten kann? Dass Menschen darauf gekommen sind, aus den Ergebnissen der Natur komplizierte Produkte zu entwickeln – dass man Körner mahlen kann, dass man sie mit weiteren Zutaten mischt, dass man sich das Feuer zunutze machen kann, um zu backen? Dass Brot Nährstoffe enthält, die wir brauchen, und keine Gifte. Wieso ist das alles so? Wer hat das so eingerichtet? Könnte man fragen, wenn man wollte. Und ich will jetzt gar nicht davon anfangen, das gibt es ja auch noch, dass nicht jede Ernte gleich gut ausfällt, dass es Schädlinge gibt, Überschwemmungen, Dürren, Missernten … Ja, Brot zu haben ist uns selbstverständlich. Aber angesichts dessen, was da alles hinter einem Stück Brot steckt – so selbstverständlich ist das dann doch nicht. Und auch wenn alles gut geht und wir am Ende ein Brot zum Essen haben – ist das Sichtbare daran, oder meinetwegen das Essbare – ist das dann einfach schon alles; halten wir denn nicht gleichzeitig etwas in Händen, was uns Gott geschenkt hat? Gott, der die Welt so gemacht und eingerichtet hat? Gott, der das Gelingen gegeben hat? Der uns so vollkommen überreich beschenkt mit Nahrung, zumindest in unserer derzeitigen Situation. Da ist überhaupt kein Widerspruch zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Beides stimmt. Beides gehört zusammen, es ergänzt sich gegenseitig. Beides hat das eine Ergebnis: Brot, das uns Leben gibt.
Und nun kommt Jesus und redet symbolisch. Er redet von sich selber als dem Brot, das wir zum Leben brauchen. Er sagt: Ich bin das Brot, das vom Himmel zu euch kommt. Was er meint, ist: Ich bringe euch ein Leben, das vom Himmel kommt. Er meint das ewige Leben. An ihn glauben, das ist sozusagen wie von einem Brot zu essen, das uns Leben gibt. Nur dass Jesus uns noch eine andere Art von Leben bringt als es die Biologie allein beschreiben kann.
Wir haben es auch hier wieder damit zu tun, dass es etwas Sichtbares und etwas Unsichtbares gibt und dass beide zusammengehören und dass beide miteinander wahr sind.
Aber noch einmal: Wie ist das hier mit dem, was Jesus sagt? Ich bin jemand, den ihr zum Leben braucht, sagt Jesus. An mich zu glauben, das ist wie eine Nahrung, wie ein Grundnahrungsmittel für euch. Da kommt ein Leben dabei heraus, das mehr ist als nur biologisches Existieren. Da kommt ein Leben dabei heraus, das über diese Welt noch in die Ewigkeit hinausreicht. Das kommt von Jesus, weil er sich selber gibt – für das Leben der Welt.
Hier gibt es noch mehr Parallelen und symbolische Vergleiche. So, wie ein Korn erst einmal in die Erde gesät wird, bevor es wächst, so ist es auch mit Jesus. Erst muss er sich hingeben, erst muss er sterben und begraben werden, und dann wächst aus ihm eine volle reife Ähre mit viel Ertrag. Das hätte man einem einzelnen Samenkorn kaum zugetraut. Auch diesen Vergleich mit der Natur hat Jesus gezogen. Aber wie dem auch sei – im Grunde genommen will Jesus uns hier sagen: Ich gebe mich hin für das Leben der Welt. Das ich leide und sterbe, das ist das Sichtbare. Dass ich das für euch tue und für das Leben der Welt, das ist der unsichtbare Teil daran. Aber wer das glaubt, dass das direkt miteinander zusammenhängt, dass von mir so etwas kommen kann, der hat das Brot des Lebens gefunden, der bekommt mit dem Glauben zugleich ein Leben für die Ewigkeit geschenkt.
An Jesus zu glauben, das bedeutet: Die sichtbaren Dinge unseres Lebens, die sichtbaren Dinge unserer Welt mit ihm zusammenzubringen, mit dem, was man von Jesus sehen oder was man über ihn lesen kann, und mit dem Unsichtbaren, was Jesus für uns bedeutet. Das kann man auch ein bisschen einfacher sagen, und so hat es ein ehemaliger Kirchenvorsteher einmal zitiert von einem großen Christen des 20. Jahrhunderts: Der Glaube, das ist die Beziehung zwischen Gott und der menschlichen Seele. Ich denke, das ist gut ausgedrückt: Unser Inneres, unser Innerstes, und das ist auch schon etwas, was wir eigentlich gar nicht mehr sehen können und was ja trotzdem einfach da ist, zusammen mit dem Sichtbaren – unser Inneres und Gott, den wir auch nicht sehen können, den wir aber glauben können – diese beiden gehören zusammen. Und das ist kein Widerspruch zu allem Sichtbaren und Materiellen auf dieser Welt. Zu glauben, das Sichtbare, das Materielle, das naturwissenschaftlich Erforschbare wäre schon alles – das heißt dann doch, auf viele Fragen zu verzichten, die sich geradezu notwendig stellen. Das ist zu wenig, um ein gutes Leben führen zu können, zu dem dann immer ja auch Dankbarkeit oder Hoffnung oder Liebe gehören. Ein solches Leben hat uns Jesus gebracht.
Und nun kann man einwenden: Ja, aber. Aber das Leben und die Welt sind doch schlimm, sind grausam und fürchterlich - und wie soll man denn da überhaupt an einen Gott glauben? Das ist natürlich auch eine richtige und gute Frage. Eine einfache Antwort gibt es hier nicht. Einen Hinweis enthält aber auch unser Predigttext von heute, und ich habe ihn nicht besonders herausgegriffen, möchte ihn aber noch erwähnen: Zu dem, was wir von Jesus sehen können und wissen können, gehört auch sein Leiden und Sterben. Je älter ich werde und je verworrener die Welt wird, desto wichtiger wird mir das: dass wir an einen Gott glauben, der sich selber eben gerade auch in das Leiden und Sterben hineinbegeben hat. Um es zu überwinden. Das ist ein Hoffnung nicht nur für die, die es gut gehabt haben in diesem Leben und auf dieser Welt. Sondern auch für alle anderen, die davon wenig hatten, dass sie hier auf Erden geboren wurden. Davon gibt es sehr viele. Man könnte geradezu sagen: Jesus gehört auch zu ihnen. Er ist auch ihr Brot des Lebens, auch ihr Brot, das vom Himmel gekommen ist und das auch ihnen in die Ewigkeit verhelfen wird. Das soll keine einfache oder billige Erklärung sein. Im Grunde ist das nur ein Anfangspunkt für weiteres Nachdenken. Aber das ist, glaube ich, die Richtung, in die man hier weitergehen kann.
Amen