Andacht für die Woche vom 21. bis zum 27. Juni

Halleluja, suchet zuerst Gottes Reich
Evangelisches Gesangbuch Nr. 182; Orgel und Gesang: KMD Ingrid Kasper

Predigt zum Sonntag, 21. Juni,
über Matthäus 11, 25-30 von Pfarrer Hans-Helmuth Schneider

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. (Matthäus 11, 25-30)

Liebe Gemeinde,
wenn in früheren Zeiten Seuchen durch die Welt gegangen sind, hatten sie meistens schlimmere Folgen als das, was wir bisher mit Corona erleben. Aber auch jetzt gibt es noch keine Medizin oder Impfung, viele negative Folgen und wir sind alle belastet von den Umständen und den Ängsten, die das Virus mit sich bringt. Denn es gibt niemanden, der sich sicher fühlen kann.
Wenn in früheren Zeiten Seuchen durch die Welt gegangen sind, dann ist in den Menschen das Bedürfnis entstanden, sich zu reinigen; etwas zu tun, was man auch tun konnte, um so dazustehen, dass man ein gutes Gewissen haben konnte. Denn der Tod war den Menschen im Lauf einer kurzen Zeit näher gekommen, und diese Bedrohung ändert einfach alles.
Zwei Folgen sind bekannt, die das hatte. Das eine sind alle möglichen Maßnahmen und Zeremonien zur eigenen Buße, die die Menschen ergriffen haben, um sich zu reinigen. Natürlich hat man Gottesdienste abgehalten. Aber es gab zum Beispiel auch die Geißlerzüge, wo Menschen hin- und hergezogen sind und sich selber kasteit und gegeißelt haben und anderen dann viellicht noch gepredigt haben, dass sie das auch tun sollten.
Die andere Folge waren Pogrome. Man hat diejenigen im Land verantwortlich gemacht und beschuldigt, die fremd waren. Immer wieder hat das die Juden getroffen, und man hat sie verfolgt, hinausgeworfen oder umgebracht. Man wollte das Land reinigen, die eigene Gesellschaft wieder in einen vermeintlichen Zustand der Unschuld bringen.
Die beiden Phänomene sind sich näher als man auf den ersten Blick meinen könnte. Der Unterschied ist vor allem, dass man sich das eine Mal gegen sich selber gewendet hat und das andere Mal nach außen, gegen andere. In jedem Fall hat man das gesucht, was man einen Sündenbock nennen kann. Das konnte man auch selber sein. Irgendjemand musste ja an allem schuld sein. Irgendjemand oder wenigstens irgendetwas musste ja wohl verschwinden, und ob man sich dessen bewusst war oder nicht, es ging dabei auch darum, dass man selber verschont bleiben wollte, indem man versuchte, einen Zustand der eigenen Unschuld herzustellen. Dazu musste man das Böse austreiben, wenigstens symbolisch.
Das alles ist mühselig und es erzeugt Leiden, eben auch viel unschuldiges Leiden - noch zusätzlich dazu, dass man es mit einer unbekannten und furchteinflößenden Seuche zu tun hatte. Es ist aber anscheinend im Menschen verankert, so zu handeln, so zu empfinden, dass man irgendein Ventil sucht, irgendwo hinmuss mit seinen Ängsten und Aggressionen und dass man sie dann in einer Art Ersatzhandlung auf etwas oder jemand Bösen richtet und ihn zu bekämpfen anfängt. Ob die Sündenböcke wirklich böse waren, ist noch einmal eine andere Frage, das konnte sein oder nicht sein. Ausgetrieben hat man aber im Grunde vor allem seine eigenen inneren Dämonen, entweder indem man sich gegen den eigenen Körper oder indem man sich gegen andere Menschen gewendet hat, auf die man sie dann eben auch projiziert hat.
Ich sage das heute, weil ich mich frage, ob das nicht auch etwas zu tun hat mit Phänomenen, die wir in den letzten Wochen erleben konnten. Jeder Mensch auf der Welt ist derzeit bedroht von einer Krankheit mit möglicherweise schwerem oder tödlichen Verlauf. Das allein schafft schon genügend Streß, aber darüber hinaus entstehen für die meisten Menschen auch noch wirtschaftliche und/oder familiäre oder anderweitige Belastungen, die manchmal übel ausgehen, und als ob das nicht genug wäre, werden uns die finanziellen Folgen der gigantischen Verschuldung, die nun am Entstehen ist, alle noch beschäftigen. Eine Spaßgesellschaft ist das nicht mehr, worin wir gerade leben, und nirgendwo anders ist es besser, eher sogar noch schlimmer.
Und nach einigen Monaten Corona explodieren nun die Proteste auf der Welt. Sie haben Gründe, keine Frage, und sie haben einen Anlass, die Ermordung eines Afroamerikaners durch die Polizei seines Landes. Der Protest gegen Rassismus ist berechtigt, das steht wohl außer Frage. Ich frage mich hier lediglich: Warum gerade jetzt? Und warum gerade so? Er haben alle Länder erfasst, wo Protestieren möglich ist, und er führt mittlerweile zu Entlassungen von Journalisten, die ihn hinterfragen, zum Umstürzen von Denkmälern und manchen anderen Erscheinungen, von denen ich meine, sie sehen aus wie der Versuch,  eine Gesellschaft, die westliche, von ihren inneren Dämonen zu reinigen. Noch einmal, u nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist der Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt berechtigt. Ich frage mich aber eben auch, ob wir nicht gerade wieder einmal erleben, dass es darum geht, Sündenböcke zu bekämpfen oder auszutreiben, und sei es in Gestalt eines Denkmals von Winston Churchill und vieler anderer. Die Botschaft ist ja unter anderem auch: Die sind anders als wir, die müssen verschwinden, nur dann kann es uns wieder gut gehen.
Ich habe allerdings noch nicht gelesen, dass Kirchen die Proteste unterstützen, die es jetzt gegeben hat. Ich weiß nicht, warum, sonst gibt es immer ein paar Kirchenleute, die sich vorne mit dazustellen, aber ich persönlich zumindest und vielleicht auch manche andere haben anscheinend das Gefühl, dass sich bei aller Berechtigung einer Forderung wie „Black Lives Matter“ - die hätte Jesus auch erheben können - dennoch hier Dinge miteinander vermischen, die nicht ganz so sind, wie wir es von Jesus kennen. Ob an nun mutprotestiert oder nicht, als Christ möge man sich noch an etwas anderes auch erinnern: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Jesus redet nicht von der Notwendigkeit, seine eigene Gerechtigkeit schaffen zu müssen. Jesus geht es nicht darum, dass wir im Mühseligen stecken bleiben müssen. Jesus ist nicht laut und reißt nichts vom Sockel, sondern er ist sanftmütig und demütig. Er hat keine Sündenböcke gesucht, auch nicht dann, als es für ihn ans Sterben ging. Das ist ein andere Umgang mit dem Leben und seinen Problemen. Wir haben jemanden, an den wir uns wenden können; wir haben jemanden, zu dem wir gehen können. Auch in der Not; auch in der Bedrohung; auch wenn eine Seuche umgeht. Kommt her zu mir alle. Mit euren Mühen. Mit euren Belastungen. Nicht ohne sie, denn so einfach werdet ihr sie nicht los, nicht jedenfalls dann, wenn Ihr das alleine versucht. Ruhe findet ihr dann aber bei mir. Jesus kann Lasten abnehmen. Die Last der Vergangenheit. Die Last der Sünde. Die Last der Angst. Die Lasten der inneren Dämonen. Die Last des Sterbens. Wie macht er das? Indem er sagt: Ich liebe dich trotzdem, mit allem dem. Du gehörst trotzdem zu mir. Ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.
Diese Lasten überwindet Jesus, indem er uns trotzdem liebt. Dadurch verändert er uns, durch etwas, das er ganz weit in uns drinnen tut: Da nimmt er uns an, wie wir sind. Und wenn man davon eine Ahnung bekommen hat, dann merkt man, dass man auch andere mit anderen Augen ansieht. Sie sind dann keine Gegner mehr, sondern auch Menschen, für die Jesus gestorben ist. Unter dieser Voraussetzung kann man dann auch über ihre Fehler mit ihnen reden, dass Jesus jeden Menschen im Innersten annimmt und liebt. Mögen wir das bemerken. Mögen andere es auch bemerken. Mögen wir Ruhe finden für unsere Seelen.
Amen

Orgelnachspiel
Orgel: KMD Ingrid Kasper

 Die Kollekte am Sonntag, 21. Juni, ist zur Hälfte für die Arbeit des Lutherischen Weltbundes und zur Hälfte für die unsere eigene Gemeinde bestimmt; wenn Sie dafür spenden möchten, nutzen Sie bitte das Konto der Kirchengemeinde (siehe hier, links unten) und nennen Sie den Lutherischen Weltbund und die Kirchengemeinde als Spendenzweck. Vielen Dank dafür!